Sonntag, 5. Dezember 2010

Durch den Ostwind

Wir beginnen diesen Eintrag, in welchem sich Oscar letztendlich wieder die Hauptrolle erkämpfen wird, weil er erst zum zweiten Mal die Weihnachts- und die Schneezeit erlebt und von daher noch nicht wirklich souverän mit beiden Seltsamkeiten umzugehen vermag, diesen Eintrag also beginnen wir einfach mal mit Ella.

Ella war doof. Exakt acht Tage lang war Ella furchtbar doof. Wir berichteten in der letzten Woche davon, dass Ella am Mittwochnachmittag beschloss, verhaltensauffällig zu werden. Acht Tage lang ging das so, bis sie dann an diesem Donnerstag den Bogen endgültig überspannte.

Ella benahm sich auf einem Ausflug mit der Kita so dermaßen daneben, dass die Erzieher uns später darüber in Kenntnis setzten, dass sie so keine Verantwortung mehr für Leib und Leben unseres Kindes übernehmen könnten. Ella - so ist der derzeitige Stand der Dinge - wird in Zukunft von Ausflügen ausgeschlossen. Es muss also wirklich übel gewesen sein.

Zuhause erläuterten die Eltern ihrer Tochter die Lage. Ella schaltete ihre Fassade auf "cool" und hörte sich ruhig an, was ihr da demnächst blüht, wenn die "Großen" einen Ausflug machen und sie dann bei den "Kleinen" zurückbleiben darf.

Erst eine Minute später heulte sich Ella den ganzen Frust von der Seele. Und seitdem ist sie wieder normal. Lieb, umgänglich und groß. Vielleicht wird über die Ausflugssperre ja nochmal neu verhandelt...

Eine Ausflugssperre fänd Ellas Bruder dagegen recht reizvoll. Bitterkalt ist es geworden in dieser Woche. Oscar hasst es. Dazu kommt noch Oscars ausgeprägter Hass auf Handschuhe - und so nahm das Unglück seinen Lauf.

Papa und Oscar wollten Ella und Oma vom Logopäden abholen. Draußen pfiff der Wind aus Richtung Sibirien und verschlimmerte die -10°C recht eindrucksvoll. Oscar ließ sich keine Handschuhe anziehen. Papa dachte: "Wenn der erstmal schnallt, wie kalt das hier ist, dann wird er die Handschuhe lieben" und schob den Sohn im Buggy durch die menschenleeren Straßen.

Oscar brauchte etwa 150 Meter um zu verstehen, was los war. Er hielt die verkrampften roten Hände vors Gesicht und brüllte. Nichts half. Erst recht nicht die Handschuhe. Wenn er die sah, schrie er noch mehr.

Papa bog schnell in einen Drogeriemarkt ein. Den zwei Kunden und der Verkäuferin bot sich ein spektakuläres Bild: Überforderter Vater und brüllender Sohn. Verschiedene Dinge wurden als Geschenk der Drogeriekette in den Buggy geworfen. Oscar wurde immer wütender. Am Schluss erreichte das meilenweit hörbare Duo die Praxis. Oscar wurde auch hier reflexartig beschenkt. Erst nach 5 Minuten konnte er sich darüber freuen. Wie aber sollte man ihn nun nach Hause kriegen?

Papa sah die Chance, zum Helden seines Sohnes zu werden, und ergriff sie: Er zog seine Jacke aus, klemmte sie um Oscar so herum, dass er keine andere Chance hatte als gewärmt durch Kreuzberg zu fahren. Papa rannte "Is nich schlimm" rufend nur im Pulli durch die Eiseskälte. Am nächsten Tag war Papa krank und Oscar schon wieder schlecht gelaunt. Es lag Schnee.

Oscar deutete auf den Boden, schüttelte den Kopf und sagte: "Nein". Mama zauberte zu Oscars Entsetzen den Schnee nicht weg, sondern marschierte mit den Kindern mitten hindurch.

Am Wochenende aber war alles wieder super: Oma Münster war zu Besuch und was hatte sie im Gepäck dabei? Spielzeugeier.
Bislang ging der größte Teil der Menschheit ja davon aus, dass Spielzeugeier ein Spielzeug von maximal mittlerem Spaßfaktor wären, doch Oscar belehrte sie eines besseren und spielt seitdem fieberhaft und laut "Eier" schreiend mit den beiden braunen und den beiden weißen Eiern. Papa und Onkel Fredde stopften die Eier dann auch noch in Oscars Klamotten. Oscar raste vor Glück als er sich die Eier aus der Strumpfhose zog. "Eier" schrie er, eine Zugabe fordernd, zeigte dabei zwischen seine Beine und sorgte so für eine äußerst billige Pointe.

Ach ja: Während alles friert, taut Oscars Sprachzentrum auf: "Ella Eier" war Oscars erster Zweiwortsatz, der Mama in euphorische Pläne ("Jetzt meld ich den zur U7 an") versetzte. Heute abend brüllte Oscar dann "Aaaambrooot", danach wurde er zum Schuhe putzen geschickt.

Oscar putzte, ohne zu wissen, warum. Morgen früh wird er es wissen.

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