Sonntag, 18. April 2010

Im Auge

Als Papa irgendwann am Freitag mal so guckte, wer ihm denn alles zum Geburtstag gratulierte, da schrieb er den Gratulanten per Mail eine relativ ausführliche Antwort auf die zahlreich geäußerten Fragen, ob er denn einen schönen Geburtstag verlebt hat.
Damit er das nicht noch einmal in diesem Medium tun muss, wird diese Mail hier per Copy and Paste einfach eingefügt.

Voilá: Hier ist sie:
14.4.,
morgens: Oscar versenkt seinen Finger im Auge der Mama.
abends: Mama sagt zu Papa, dass das Auge weh tut. Papa sagt "Aha".
15.4.,
02:00: Auge tut jetzt krankenhauswürdig weh. Im Taxi braust Mama zur Notversorgung. Papa simuliert durch geschicktes Wechseln der Liegeposition die Anwesenheit beider Eltern. Oscar fällt drauf rein und pennt.
03:45: Mama ist zurück. Augenärztin war schlecht gelaunt. Oscars Finger sorgte für zahlreiche Verletzungen...
04:15: Der Wecker klingelt. Völlig überflüssig, denn Papa hatte dann nach 2:00 auch nicht mehr geschlafen.
05:09: Papa fährt nach Hamburg.
13:00: Papa wieder da. Geschenke. Königsberger Klopse. Alles Gut. Aber: Mama trägt Sonnenbrille, Zimmer abgedunkelt. Ella hat auch Sorgen, weil der Finger doll weh tut.
14:00: Mama zieht sich in Ellas Höhle zurück. Vorübergehender Spitzname: Hannelore Kohl.
14:00 - 19:30: Papas Geburtstag besteht aus Kinderbetreuung (Ellas Finger tut immer noch weh, Oscar hat mittlerweile Fieber) und aus Blindenhundgängen für Mama. Nach nur 3,5 Stunden Schlaf macht sich Müdigkeit bemerkbar.
19:30: Kinder im Bett
19:31: Papa öffnet ein Schultheiß.
20:00: Papa geht ins Bett. Darinnen: Eine sonnenbebrillte Mama und ein fiebernder Oscar.
22:30: Ella wacht schreiend auf. Papa schläft. Mama macht blind die Trösterin. Hilft alles nicht. Ellas Schreien geht über in Würgen und Erstickungsanfälle. Papa jetzt auch wieder wach.
22:45: Ella schläft.
23:30, 00:30, 01:30, 02:30: Oscar schreit, weil er so doll Fieber hat.
16.4.
02:30: Mama verabreicht Oscar ein Fieberzäpfchen. Sie bewegt sich durch die dunkle Nacht mittlerweile so souverän wie ein nachtaktives Nagetier. Oder wie Hannelore Kohl.
04:15: Der Wecker klingelt.
05:09: Papa fährt nach Hamburg.
07:45: Papa wird das erste Mal gefragt, ob er denn gestern einen schönen Tag hatte. Lügen? Aussage verweigern? In Tränen ausbrechen? Dann die Idee: Papa antwortet: "Naja" und dreht ab.

Dies war der Originalwortlaut, den Papa dann in die Welt hineinjammerte. Mittlerweile hat sich die Situation in Mamas Auge leicht entspannt.
Die nächsten Tage waren dann allerdings trotzdem eine recht große Herausforderung, weil Mama noch immer die Augen nicht öffnen durfte, was sich mit der Anwesenheit zweier Kinder nicht immer gut vertrug.

So wurden die Babysitter hier förmlich im Minutentakt rein- und rausgeschoben. Oma Berlin machte den Anfang, dann übernahmen am Samstag Flora und Familie und am Sonntag gab es wieder mal den kompletten Berliner Großeltern-Einsatz, sodass Papa sogar noch ein paar seiner Klausurenstapel bearbeiten konnte.

Mit Flora ging es dann übrigens mal wieder zur Sandmann-Ausstellung. Ella kannte die ja schon, traute sich aber diesmal endlich in die Kostüme von Frau Elster und Herrn Fuchs, während Papa zu Hause korrigierte und Mama mit geschlossenen Augen die wunderbare Welt der Hörbücher betrat.

Oscar, der das ganze Unheil erst ermöglicht hatte, hat seine Strafe dann heute erhalten. Nachdem er seiner Mutter zwei weitere wahnwitzige Male am Auge gestoßen hatte, weil er sich des Nachts hin und her krümmen musste, beschloss der Elternrat, dass Oscar aus dem Bett outgesourced werden muss.
Man trug Kinderbett aus dem Kinderzimmer.

Oscar stand fassungslos dabei und ahnte Furchtbares. Dann setzte er sich in den Flur wie ein Bewohner des Wendlandes, der den Castor-Transport mit stillem Protest erschweren will.
Oscars Castor-Bett schwankte an ihm vorbei und fand seinen vorübergehenden Platz im Zwischenlager neben dem Bett von Mama und Papa.

Oscar wusste, was das alles zu bedeuten hatte und weinte. Zurecht.
Er weinte dann noch ein Weilchen im Castor-Bett weiter. Irgendwann schlief er ein. Proteste bringen hier wie dort nicht viel.

So sorgte Oscar also am Mittwoch für ein Riesenchaos, an dessem hoffentlich glücklichen Ende vielleicht ein Elternpaar steht, das nach knapp 4 Jahren endlich wieder nur zu zweit im Bett liegen darf. Und übrigens ohne Brotkrümel, die Oscar in der letzten Woche zu abertausenden in selbigem Bette verteilte.

Aus Betreuungsgründen bleibt Papa morgen zu Hause. In der 6.Klasse wird daher die Klassenarbeit ohne unterrichtenden Lehrer stattfinden. Tumulte werden die Folge sein. Alles nur wegen Oscars Finger.

Zum Abschluss dann ein Bild, das Ellas eher indirekte Verunsicherung bezüglich der angeschlagenen Mutter zeigt. Ebenso wie Mama läuft sie mit Sonnenbrille durch die Wohnung. Im Hintergrund zu beachten: Der zugezogene Vorhang. Nicht im Bild: Die genervten Eltern.

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