Mittwoch, 22. Februar 2012

Hormonelle Revierkämpfe

Es war teilweise recht bejammerungswürdig, was sich in unserer Wohnung in den letzten Tagen abgespielt hat.
Erst war Oscar krank. Er schlief einen ganzen Dienstag lang auf dem Schoß seiner Mutter, die unter Oscars Kopf unbeweglich sitzend einen ganzen Dienstag lang auf ein Bücherregal im Wohnzimmer guckte und während dieser Stunden eigenen Angaben zufolge sehr viele gute Ideen zur Optimierung der Raumschönheit hatte. Am Mittwoch ging Mama dann mit diesem bunten Strauß an Einrichtungsideen schweigend zur Abreit, während Papa den kranken Oscar in puncto Aufsicht übernahm.
Papa setzte sich aufs Sofa und guckte auf das Bücherregal. Doch nach 10 Sekunden war es vorbei mit der Ruhe, denn Oscar war nach 36 Stunden Schlaf nicht mehr müde. Vielmehr versuchte er, vor seinen Krankheitserregern hakenschlagend wegzulaufen. Papa übernahm dagegen die Rolle des Müden, denn bei ihm war ebenfalls eine Krankheit im Landeanflug.

Da waren sie dann auf sich gestellt: Der wenig gut aufgestellte Vater und sein engergischer Sohn, der derzeit keine gerade Beschäftigung kennt. Oscar spielt nicht mehr, sondern rennt nur noch wild und ohne erkennbares Ziel in der Wohnung umher. Unterbrochen wird dieses Rennen nur dann, wenn Oscar meint, es sei Zeit, auf Möbelstücke zu klettern, damit man von ihnen hinunterspringen kann. RUMS macht es bei uns. Ungefähr alle vier Minuten. Mick, der unter uns wohnt, ist zur Zeit in Portugal, heißt es.

Gerne klettert Oscar aber auch auf Menschen drauf. Ob diese Menschen das wollen oder nicht, interessiert ihn dabei sympathischer Weise überhaupt nicht. Belehrungen oder gar Verbote prallen an unserem Zwerg ohnehin ab. Oscar ist in der Trotzphase und gilt momentan objektiv als schwierig.

Am Freitagabend sprach dann Papa: "Ich werd jetzt krank" und ließ dem Taten folgen. Geschlagene 108 Stunden später stand Papa wieder auf und sagte "Jetzt geht's wieder". In der Zeit dazwischen versuchte Ella, ihrem Vater Gutes zu tun, indem sie zum Beispiel Tee brachte und Oscar, seinen Vater zu nerven, indem er wie blöd durch die Wohnung rannte, von Möbeln sprang und auf den Vater kletterte. Gerüchten zufolge wäre Papa ohne seinen Sohn nach 24 Stunden wieder topfit gewesen...

Wir wollen aber nicht zu viel meckern, denn Ella kompensiert einiges. In der Kita gilt sie, spätestens seit sie ein Kind namens Ylvi angezogen hat, als heimliche Erzieherin und auch hier ist sie ein so wunderbar unkompliziertes Kind, dass der Blog aufgrund von Themenarmut nur noch halbjährlich erscheinen könnte, wenn da nicht Oscar wäre, der für eine Kontinuität des Ergrauens seiner Eltern sorgt. Er führt als großartiger Nervzwerg das fort, was Ella ihm irgendwann einmal überlassen hat.  

Die Mutter deutet alles ganz anders und bedient sich dabei offensichtlicher Lügen, indem sie beispielsweise behauptet, Oscar sei in ihrer Gegenwart immer sehr umgänglich. Erst wenn der Vater hinzukommt, drehe Oscar durch. Gut, dass man sich die Kosten für das diesbezüglich fällige psychologische Gutachten sparen kann, wenn die Mutter nicht nur feststellen, sondern auch noch erklären kann:
Was Oscar und sein Vater da abfackeln, so die Mutter, sei nichts anderes als männliches Gehabe. Es sei so eine Art testosteron-gesteuerter Revierkampf. So ganz abwegig muss diese Deutung nicht sein. Papa sah in den 108 Stunden seiner Krankheit etwa 50 Stunden fern. Davon waren rund 30 Stunden Tierfilme. Und die Affenjungen, die erinnerten schon stark an Oscar. Bei den Vätern waren die Unterschiede deutlicher.

Im Übrigen - das knallte der eingeschnappte Vater der analysierenden Mutter gleich vor den Bug - verhält es sich bei den Weibchen unserer Familie auch so, dass die Luft knistert, wenn sie in einem Raum sind. Östrogen-gesteuerte Revierkämpfe sozusagen. Halten wir einfach fest, dass es hier derzeit manche Verbindungen gibt, die entspannt sind und manche, die hochexplosiv sind.

Zu guter Letzt war dann auch noch Karneval. "Das Motto heißt in diesem Jahr Dschungel", sagten die Erzieher eine Woche vorher. Am Faschingsdienstag standen dann entsprechend dieses Mottos nahezu ausschließlich Prinzessinen (Ella und die meisten anderen Mädchen) und Piraten (Oscar und die meisten anderen Jungs) im Raum. Da kam Dschungelspaß auf! Illusionskünstler Oscar ließ die Grenze zwischen Verkleidung und Realität gekonnt verschwimmen, indem er sich exakt an der Stelle fürchterlich weh tat, an welche ihm die Mutter eine fette Narbe aufgeklebt hatte. Ein Meister seines Faches.

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