Sonntag, 12. Februar 2012

Das Comeback des Lazy Sunday

Natürlich wollen wir nicht  übertreiben, aber es fühlt sich ein wenig so an, als hätte eine neue Epoche des Familienlebens begonnen.

Denn während an Sonntagen der letzten fünfdreiviertel Jahre stets der bangen Frage hinterhergehechelt wurde, was man denn um Gottes Willen unternehmen könne, damit die Kinder ausreichend bespaßt würden, so stellte man heute zu viert fest, dass sich die Vorstellungen bezüglich eines freien Tages seitens der Kinder und seitens der Eltern so langsam annähern. 

Als nämlich Oma heute früh ging, nachdem sie die Nacht im Kinderzimmer zwischen Ella und Oscar verbracht hatte, denn die Eltern waren gestern Abend auswärts, da sprach Papa ins leere Wohnzimmer "Ich will jetzt Sportstudio gucken" und ließ sich ins Sofa fallen. Noch ehe die aufgezeichnete Sendung gestartet werden konnte, bemerkte Papa die Anwesenheit von zwei weiteren Personen, welche nun feststellten, dass im Fernsehen Bob lief - und zwar nicht in der "Bob der Baumeister"-Version, sondern live aus Calgary. 
Papa erklärte die Grundzüge des Wintersports, in dem es ja im Prinzip immer darum geht, als erster irgendwie nach unten zu kommen. Eine Uhrzeit lief unten rechts mit, blieb an nicht nachvollziehbaren Stellen stehen und war mal grün und mal rot. Grün war gut und rot war schlecht. Mehr musste man nicht wissen und so entfachten Ella und Oscar innerhalb von kürzester Zeit eine große Leidenschaft für den Bobsport.

Papa lag derweil immer noch auf dem Sofa und dachte zwei Dinge, die sich keineswegs ausschlossen: Gedanke 1: "Wintersport ist langweilig". Gedanke 2: "Genauso müssen Sonntage sein. So waren sie früher auch immer".

Ella und Oscar freuten sich währenddessen, dass der schnellste Bobfahrer an diesem Tage lange Zeit ein Herr mit dem Vornamen Oscar war und dass am Schluss die Deutschen gewannen. Aufgeregt rannten sie zu Mama und brüllten, was ganz Wintersport-Deutschland an diesem Tage brüllte: "Deutschland war am schnellsten." 
Nachdem also erst Bob und dann das Sportstudio im Fernsehen lief, drohte die Familie allerdings in alte Mechanismen zurückzufallen. Der alte Fehler: Man plante den Sonntag. 
Man könnte zum Puppentheater gehen, so die halbherzig planende Familie, man könnte aber auch ins Museum gehen. Schließlich entschied man sich, ins Schwimmbad zu gehen.

Kurze Zeit später stellte man aber fest, dass die "Mehrheit der Kinder" (O-Ton Mama) keine Lust aufs Schwimmen habe, woraufhin Papa kurz nachdachte und dann erreichte, was vor ihm noch kein Mensch erreichte: Er schaffte es, dass sich Ella einen ganzen Tag lang selbst beschäftigen konnte. 

Dazu verknüpfte er seinen Laptop mit dem Fernseher und ließ Ella mit einem Malprogramm und den beiden verknoteten Geräten alleine. Große Werke der digitalen Kunst sind dabei entstanden. Die Künstlerin selbst ist technisch auch schon derart kompetent, dass sie diese unter eigenen Namen abspeichern kann, weshalb derzeit Dateien namens "ELLAS UNTAWASSAWELT" oder "SCHMETTALEN" (Schmetterlinge) auf Papas Laptop exisitieren. Oscar saß staunend neben seiner digital malenden Schwester.

Mama und Papa konnten an diesem Tage also weiter wie ein Archäologe in früheren Zeiten buddeln. Sie fanden wahnsinnig inspirierende und fast vergessene Möglichkeiten der sonntäglichen Beschäftigung: Mama starrte mehrere Stunden lang in ihr Netbook und Papa hielt einen Mittagsschlaf. Es war nicht weniger als das große Come-Back des Lazy Sunday. Bobfahrern und Malprogramm sei gedankt. 

Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Ella das Duschen für sich entdeckt hat und heute erstmals komplett alleine eine gesamte Selbst-Duschung vorgenommen hat. Bei der richtigen Wassertemperatur ist das ja auch sehr schön, und so war Ella für eine weitere halbe Stunde außerhalb der elterlichen Betreuung gut beschäftigt. Oscar dagegen ist noch nicht so weit: "Oscar, möchtest du heute baden oder duschen?", wurde er vorhin gefragt. Seine Antwort war knallhart: "Ich möchte gar nichts mit Wasser machen." Soso, jetzt wissen wir auch, wen Mama mit der "Mehrheit der Kinder" meinte, die nicht ins Schwimmbad will.

Dass wir während des Lazy Sunday aber nicht vollkommen verkalken, stellte der Spross unter Beweis, als er ungefragt einen ganz großen Aphorismus sprach: "Die Bianca heißt Mama und der Vater heißt Papa." - was für ein wundervoller Einblick in die Gedankenwelt unseres Lümmels. 

Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass Oscar doch von der Eierlikör-Torte genascht hat, die Papa gebacken hatte. Den Kindern wurde diese Torte natürlich strengstens verboten. Ella verstand. Oscar legte dagegen den Kopf schief und nörgelte "Ich mag aber Alkohol".
Neben dieser für einen Dreijährigen recht bedenklichen Aussage bereitet uns nach wie vor Ellas Furcht vor absurden Dingen große Kopfschmerzen: Während wir am letzten Wochenende gerade zu Protokoll gaben, dass sich Ella vor einer Seite in Oscars Buch "Große Fahrzeuge" fürchtet, hörte Ella eine für sie neue Benjamin-Blümchen-Folge. Diese wanderte kurz darauf in den Giftschrank und darf dort erst wieder heraus, wenn Ella das Alter (18) erreicht hat, bei welchem man diese Folge hören kann, ohne vor Angst zu weinen, zu zittern und zu wimmern.
Ella stand am Sonntagabend jedenfalls vollkommen aufgelöst im Wohnzimmer und berichtete unter Tränen, dass Benjamin ins Gefängnis gesteckt wurde. Ella war psychisch vollkommen am Ende. 
Ähnlich lief es dann am Freitag. Jurij, Ellas linksradikaler Kumpel aus Hamburg war zu Gast. Die Erwachsenen unterhielten sich über Linksextremismus, die Kinder spielten. Jurij war irgendwann der Wolf. Ella und Oscar rannten zunächst lachend vor Jurij weg, ehe sich dieser in den Köpfen unserer Kinder zunehmend in einen realen großen bösen Wolf verwandelte. Ella und Oscar waren außer sich vor Panik.

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