Papa lag zu genau dieser Zeit noch mild schlummernd im Bett. "Schreib schon mal auf einen Zettel, welche Brötchen wir brauchen", grunzte er ins Kopfkissen, um noch drei Minuten Zeit zu schinden.
Ella befragte daraufhin ihre Familienmitglieder, ließ aber den noch vollkommen bewusstlosen Oscar weiterschlafen. Es ist von Oscar ohnehin ausreichend bekannt, dass er sein Frühstück erst durch ein Mohnbrötchen komplettiert sieht. Und so schrieb Ella ihren Zettel:
Inzwischen ist Papa übrigens soweit angezogen, dass er seine Tochter über die Straße geleiten kann. Artig wartet er danach vor der Tür der Bäckerei und guckt Ella beim Brötchenkaufen zu. Viel schiefgehen kann ja nicht, Ella hat schließlich ihren Zettel dabei. Dann aber geschieht Unlogisches.
Ella liest ihren Zettel, der bekanntlich nicht im Standarddeutsch, sondern in Ellas Version des Deutschen verfasst ist, nicht etwa vor, wie Papa gehofft hatte. Nein. Sie reicht den Zettel der Bäckerin.
Die Bäckerin fängt an zu lesen. Ihre Augenbrauen ziehen sich hoch. Eine zweite Bäckerin wird herbeigerufen. Regungslos steht unterdessen die Verfasserin des Zettels vor den beiden grübelnden Verkäuferinnen und schweigt erwartungsfroh. Papa vor der Tür darf den Laden nicht betreten, will er sein Töchterchen nicht ins Unglück stürzen. Er schwitzt. Ein Frühstück ohne Krosong und Tagssbigl droht. Und das am Samstag.
Ein paar Tage zuvor war dagegen nicht nur die halbe, sondern die gesamte Familie shoppen. Papa wollte in Zukunft auch bei Regen mit trockenen Füßen durch die Stadt spazieren können und schrie deshalb "Schuhe!". Ella, Oscar und vor allem Mama hatten dann auch plötzlich Lust auf Schuhe.
Im Schuhgeschäft suchte Papa nach einem optisch ansprechenden und formstabilen Paar Schuhe. Er fand dieses nach etwa 60 Sekunden und war nun eigentlich fertig mit Schuhekaufen. Die Mutter dagegen hatte ihre eigene Schuhrecherche nun gerade erst begonnen und Ella und Oscar entdeckten ganz neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung: Rennen durch riesige Schuhgeschäfte.
Papa saß im Schuhgeschäft, guckte glücklich auf seine Schuhe und wurde dann jäh aus dieser kleinen Minute der Ruhe gerissen. Irgendwo schepperte es.
Papa guckte sich um und sah aus dem Augenwinkel einen Mülleimer durch den abgesperrten Bereich des Schuhgeschäftes gegen irgendwelche Säulen scheppern. Reflexartig schrie er "OSCAR!" - und handelte damit intuitiv richtig, denn hinter dem nun still stehenden Mülleimer guckte verschämt lachend das Gesicht des Sohnes hervor.
Die Verkäuferin griff sich Ella, Oscar und den Mülleimer. Sie sagte: "Wollt ihr einen Bonbon?"
Oscar - vor Anstrengung noch puterrot im Gesicht - nickte und hat in diesem Moment wieder einige Zusammenhänge erkannt. Dass man beispielsweise Bonbons bekommt, wenn man mit Mülleimern durch Schuhgeschäfte rennt und an Säulen knallt. Die Kinder, die dies nicht taten, gingen nämlich leer aus. Oscar weiß: Man muss auffallen in dieser Welt. Die Bonbons reichen nicht für alle 7 Milliarden Menschen. Gibt es das Verb "ernerven"? Oscar ernervte sich an diesem Nachmittag Bonbons. Und den zynischen Schlusspunkt setzt Oscar dann selbst: Ratlos steht er mit dem Bonbonpapier im Schuhgeschäft, will es wegwerfen und deutet schließlich dorthin, wo er selbst zuvor den Mülleimer entwendete, und beschwert sich: "Da stand der Mülleimer!"