Dienstag, 10. April 2012

Unsensible Darstellung der Titanic-Katastrophe

Jungs, die drei Jahre alt sind, leiden an einem beeindruckendem Minderwertigkeitskomplex. Jahrelang wurden sie wie Babys, später wie kleine Nervensägen behandelt, nie also richtig ernst genommen. Dies führt zwangsläufig zu besagten Komplexen. Die Dreijährigen reagieren darauf mit Kompensierung. Alles, von dem die Dreijährigen dann referieren, handelt demzufolge von Superlativen. Es ist der Schritt in die Welt der Männer. 

Bei Oscar drehen sich diese Superlative derzeit vor allem um Größen und Geschwindigkeiten. Viele seiner Beschreibungen enden - was die unvorstellbare Größe der beschriebenen Objekte betrifft - mit den Worten "bis zum Himmel". Anders nämlich kann man die Größe von Lkw oder Wohnungen oder anderen Dingen nicht beschreiben.
Ein typischer Dialog geht so:
"Oscar, ist [hier kann ein beliebiger, nicht zu kleiner Gegenstand eingesetzt werden] groß oder klein?"
Oscar guckt nun sehr ernst und konzentriert: "Grooooooß", sagt er dann, während seine Ärmchen zur maximalen Spannweite ausgefahren werden. Diese Spannweite erscheint Oscar dann aber nicht ausreichend um die aberwitzige Größe zu verdeutlichen, von der Oscar zu berichten weiß. Deshalb ergänzt er schnell noch "bis zum Himmel".

Ähnliches betrifft Geschwindigkeiten. Oscar redet derzeit ständig davon, dass irgendwelche ganz besonders tollen Verkehrsteilnehmer andere weniger tolle Verkehrsteilnehmer überholen. "Sooooo schnelllllllll", schreit Oscar dann und bewegt seinen ausgestreckten Arm blitzschnell um 90 Grad. "Brrrrrrrrchhhhhh", macht er dazu.

Die treffendste Spielanalyse der Begegnung Tennis Borussia gegen den SV Empor lieferte deshalb auch Stadionbesucher Oscar, indem er sagte: "Die TeBe-Spieler können gar nicht gewinnen, denn die Blauen sind ssssssoooo schnellllll. Brrrrrrrrchhhhhh!" Und so kam es auch. Gegen den prfeilschnellen Gegner kam TeBe über ein Unentschieden nicht hinaus.

Bis zum Himmel reicht übrigens auch die Titanic, die in diesen Tagen ihr hundertjähriges Liegen auf dem Meeresgrund feiert. Zahlreiche Reportagen im Fernsehen und in Zeitungen haben drei Viertel der Familie mal wieder in großes Titanic-Fieber versetzt. Oscar und Ella reden zeitweise von nichts anderem mehr. Oscar findet das Schiff groß und schnell und den Eisberg auch bis zum Himmel groß. Dann findet Oscar auch bemerkenswert, dass die Titanic sssssooooo schnelllllll unterging. Oscars erhobener Zeigefinger schneidet dann die Luft entzwei, während er in großer Geschwindigkeit und mit einem "Brrrrrrrrchhhhhh" vertont nach unten saust. Eine wenig sensible Darstellung der Schiffskatastrophe.

Ella, die tagsüber auch immer viel von der Titanic erzählt, hat nachts ihre Probleme damit. In letzter Zeit gab es keine Nacht ohne Alptraum. Ella stotttert uns meist gegen Mitternacht tränenüberströmt und zitternd etwas von der Titanic vor. Manchmal ergänzt Oscar am nächsten Morgen, dass Ella vor allem Angst vor der Schiffsschraube habe. Interessant zu erfahren...

Papa hatte nur kurz ein schlechtes Gewissen. War er letztlich verantwortlich für die Alpträume der Tochter? Die Antwort lautete nach kurzem Überlegen "Nein". Schließlich ging er gemeinsam mit seinen Kindern nicht etwa den Nachforschungen bezüglich Glitschemonstern oder Vampiren nach. Es handelt sich um ein Schiff. Ein Schiff, das unterging und ja - das wollen wir nicht verschweigen - eine Schiffsschraube besitzt. Dass man davon Alpträume bekommen kann, ist nur durch äußerst kreatives Schlafverhalten zu erklären. Oscar jedenfalls hat diese Probleme nicht.

Nicht verschweigen wollen wir an dieser Stelle aber auch, dass Papa am letzten Tag vor Ostern schnell noch ein 1000-Teile-Puzzle der Titanic kaufte. Eine schöne Familienbeschäftigung. Ella sortierte, Oscar guckte, Mama und Papa puzzelten. Die Zeiten, wo von den 1000 Teilen mehrere hundert verschluckt oder zumindest bespeichelt werden würden, sind vorbei.

Über das Osterwochenende war dann Besuch von den Paten aus Weimar da. Maria, so alt wie Oscar, und Johann, eineinhalb, waren auch darunter. Oscars Präferenzen waren schnell geklärt. Flirtähnliche Zustände wurden zwischen ihm und Maria beobachtet, während sich Oscar von Johann auch mal verdreschen lassen musste. Der kleine Gast griff hier und da mal beherzt nach Spielzeug, zum Beispiel einem Holz-Tunnel. Johann beguckte sich den Tunnel und dann Oscars Kopf. Dann tat Johann, was so manche Eineinhalbjährige in dieser Situation tun. Klonk machte es dann. Oscar weinte.

 












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